Der Schamane und die Schlange

Der Schamane und die Schlange

Mo, 12. — Sa, 17.02.2018 | 17:30 Uhr bzw. Sa 15:00 Uhr | City-Kino

El abrazo de la serpiente
COL/VEN/ARG 2015, Regie: Ciro Guerra, Drehbuch: Ciro Guerra, Jacques Toulemonde, K: David Gallego, S: Etienne Boussac, M: Nascuy Linares, Darsteller: Jan Bijovet, Brionne Davis, Nilbio Torres, Antonio Bolivar, 125 Minuten, OmdUT

Trailer:


Inhalt:


© Polyfilm

Amazonas, Anfang des 20.Jahrhunderts: Der Schamane Karamakate soll einen deutschen Ethnologen, dessen Figur von Theodor Koch-Grünberg (1872-1924) inspiriert ist, zu einer geheimnisvollen, sehr seltenen Pflanze führen, um ihn zu heilen. 40 Jahre später wiederholt der US-amerikanische Biologe Richard Evans Schultes (1915-2000) wieder mit Hilfe des Schamanen, der der letzte Überlebende seines Stammes ist, diese Reise. Doch der Indio hat durch die Verwüstungen der Kolonialisierung den Kontakt zur Geschichte und zum Wissen seines Stammes verloren, die Reise wird zu einem gewagten Unternehmen…

Hintergrund: Der deutsche Anthropologe und Forschungsreisende Theodor Koch-Grünberg führte Anfang des 20.Jahrhunderts mehrere Expeditionen im Amazonasgebiet durch und trug damit erheblich zur Erforschung der indigenen Kulturen Südamerikas bei. Neben einer Gesamtschule und einer Straße in Hessen wurde außerdem ein Museum in Berlin nach ihm benannt.
Im Jahr 1907 verfasste er folgenden Tagebucheintrag:

„In diesem Augenblick ist es mir, lieber Leser, nicht möglich zu sagen, ob der unendliche Dschungel bei mir – wie auch schon bei vielen anderen, die sich hierher wagten – den kompletten und unheilbaren Wahnsinn ausgelöst hat. Falls dem so sein sollte, kann ich mich nur entschuldigen und Sie um Verständnis bitten. Es gibt keine Sprache, in der sich die Schönheit und Pracht, die sich mir in diesen verzauberten Stunden bot, ausdrücken ließe. Ich weiß nur, wie auch all jene, die den dichten Schleier entfernten, der ihre Wahrnehmung umnebelte, dass ich ein anderer Mensch war, als ich wieder zu mir kam.“

„El abrazo de la serpiente“, der im Verlauf von sieben Wochen im Dschungel von Vaupés gedreht wurde, ist der erste Spielfilm seit mehr als dreißig Jahren, der im kolumbianischen Amazonasgebiet spielt. Außerdem ist es der erste kolumbianische Film mit einem Eingeborenen als Protagonisten, der die Geschichte aus seiner Perspektive erzählt.

„Um die Geschichte zu erzählen, mussten wir fast 8000 kg Gepäck transportieren. Wir waren in Kanus, auf Flößen und in uralten Flugzeugen (DC3) unterwegs, mit Schlitten, Booten, Motorrädern, Rischkas, LKWs, Muldenkippern und Lieferwagen. Nicht zu vergessen der Aufstieg zu den Mavecure-Bergen mit dem steilen Anstieg auf einen 30m hohen Felsen, der sich in Seife verwandelte, sobald er mit Wasser in Berührung kam.“

(Cristina Gallego, Produzentin)


Der Regisseur:


https://www.flickr.com/photos/yrp/2918115752

Ciro Guerra wurde 1981 in Cesar, Kolumbien, geboren. Er studierte Film- und Fernsehwissenschaften an der Nationalen Universität von Kolumbien.

Der Regisseur über den Film:

Die Geschichte entsprang meinem persönlichen Interesse am kolumbianischen Amazonasgebiet, das das halbe Land bedeckt, mir aber verborgen und unbekannt war, obwohl ich mein ganzes Leben in Kolumbien zugebracht habe. Ich wollte die Geschichte der Begegnungen der Europäer oder Nordamerikaner mit den Eingeborenen erzählen, aber aus der Sicht der indigenen Bevölkerung.“

„Wir können nur hoffen, dass dieser Film beim Zuschauer etwas Neugierde weckt, den Wunsch, zu lernen und das Wissen zu respektieren und zu schützen, denn ich meine, es sei für die moderne Welt von unschätzbarem Wert. Es geht nicht um Folklore oder alte Kulturen, sondern um eine Weisheit, die Antworten auf viele Fragen hat, die den modernen Menschen bewegen: Wie man im Einklang mit der Natur lebt, wie man mit Ressourcen sinnvoll umgeht, ohne die Umwelt zu verwüsten, und wie man nicht nur Harmonie zwischen Mensch und Natur erreicht, sondern auch zwischen den vielen Menschen mit ihren Eigenarten.


Kritikerstimmen:


© Polyfilm

Eine faszinierende Reflexion über Mensch, Natur und die destruktive Macht des Kolonialismus.
(Filmfest München)

Mit der Neugierde eines Anthropologen nähert sich Ciro Guerra der oft verdrängten Vergangenheit seines Landes, Die nüchternen, zugleich majestätischen Schwarzweißbilder seines Films greifen die Ästhetik historischer Fotografien von Männern wie Grünberg auf, deren Offenheit und Forscherdrang Guerra trotz mancher Kritik mit großem Respekt begegnet.
(epd-film, Kai Mihm)

Der kolonialistische Blick, mit dem das ethnografische Kino jahrzehntelang behaftet war, wir in diesem Film radikal unterwandert: Ciro Guerra geht es nicht um die Darstellung einer fremden Kultur, sondern um eine Umkehrung der Sichtweise. (…) Beide Unternehmungen sind scheinbar unspektakulär, doch beide zeigen die ultimativen Grenzen des westlichen Forschungsdrangs auf.
(Der Standard, Michael Pekler)


Filmografie (Auswahl):


© Polyfilm

2004: LA SOMBRA DEL CAMINANTE / THE WANDERING SHADOWS
2009: LOS VIAJES DEL VIENTO / DIE REISEN DES WINDES (2009); Wahl zu einem der 10 bedeutendsten Filme der kolumbianischen Filmgeschichte, Nominierung zum Oscar für den besten fremdsprachigen Film
2015: EL ABRAZO DE LA SERPIENTE / DER SCHAMANE UND DIE SCHLANGE; Cannes (Quinzaine des Realisateurs, C.I.C.A.E. Award), Nominierung zum Oscar für den besten fremdsprachigen Film