The Guilty

The Guilty (Den Skyldige)

Mo, 11. — Sa, 16.11.2019 | 17:30 Uhr bzw. Sa 15:00 Uhr | City-Kino

DEN 2018, Regie: Gustav Möller, Drehbuch: Gustav Möller, Emil Nygard Albertsen, Kamera: Jasper Spanning, Musik: Carl Coleman, Caspar Hesselager, Schnitt: Carla Luffe. Darsteller: Jacob Cedergren, Jessica Dinnage, Omar Shargawi, Johan Olsen, Jacob Lohmann, 88 min, OmdUT

Trailer:


Inhalt:


Das Erstlingswerk des schwedisch-dänischen Regisseurs Gustav Möller ist formal durchaus außergewöhnlich und aufregend: Die Handlung spielt innerhalb weniger Stunden in einer Nacht an einem einzigen Schauplatz: der Notrufzentrale der Polizei von Kopenhagen. Der Polizist Asger Holm nimmt den Notruf einer verängstigten und völlig verzweifelten Frau entgegen, die von ihrem Ex-Mann im Auto offenbar entführt worden ist. Der Polizist koordiniert von seinem Standort am Notfall-Telefon die atemberaubende Suche und Verfolgungsjagd, gleichzeitig mit ihm geraten auch wir Zuschauer (und Zuhörer) in einen unglaublichen Strudel von Ereignissen und dramatischen Entwicklungen. Das Hauptthema der Schuld und des Schuldig-Seins gerät mehr und mehr in den Vordergrund.


Der Regisseur:


Gustav Möller wird 1988 in Göteborg in Schweden geboren. Nach seiner Hochschul-Ausbildung in Schweden besucht er im dänischen Kopenhagen eine Film- und Fotoschule, in dieser Zeit entstehen seine ersten Kurzfilme. Ab 2011 studiert er an der Den Danske Filmskole, sein Studium zum Regisseur schließt er im Jahr 2015 ab. Er schreibt Drehbücher, tritt auch gelegentlich als Schauspieler in Fernsehserien auf und schafft mit seinem ersten Lang-Spielfilm ‚The Guilty‘, dessen Premiere beim Sundance Festival stattfindet, einen großen Erfolg bei Publikum und Kritik gleichermaßen.


Hintergrund:


Möller’s biggest inspiration for “The Guilty” wasn’t a film but a podcast: Sarah Koenig and Julie Snyder’s “Serial,” about the 1999 murder of a U.S. high school student in Maryland and the arrest and conviction of her ex-boyfriend for the crime.
“With every episode I got new information about the people involved and the places and occurrences. With every episode my image of these people changed,” he said. “That was a direct inspiration that me and my co-writer talked about: how to organically add information and organically have the images change throughout the film.”
As for cinematic inspiration, Möller cites Sidney Lumet’s “Dog Day Afternoon.” “The whole feel of that film, the nerve-racking stress that is in that film – that inspired the way we shot the film, using several cameras during very long takes.”
(Ed Meza, variety.com, 13.August 2018)

Eine weitere Quelle der Inspiration war für den Regisseur ein YouTube Clip mit der Aufnahme eines Polizei-Notrufs. Eine entführte Frau hatte es geschafft, den Notruf zu wählen und um Hilfe zu bitten. Möller war verblüfft und erstaunt, wie ‚nervenaufreibend ein Telefonanruf sein kann.‘ besonders aber faszinierte ihn, dass ‚jeder, der die Aufnahme hört, sich andere Bilder dazu vorstellt.‘

Das wäre doch mal was, dachte er: «Ein Film, den jeder Zuschauer mit anderen Augen sieht.» Damit war die Idee geboren, einen Thriller zu drehen, der sich über ein Notruf-Telefonat abspielt. Möller machte sich an die Recherche, besuchte eine Notrufzentrale und so nahm die Hauptfigur Gestalt an. Der Filmemacher erinnert sich: «Der Job dieser Leute faszinierte mich. Man muss sehr professionell sein und Distanz wahren, während man gleichzeitig mit den schlimmsten Situationen konfrontiert ist.
New Danish Screen, eine Sparte des dänischen Filminstituts, die sich explizit den jungen, experimentierfreudigen Filmemachern annimmt, sei von der „radikalen Natur des Films“ begeistert gewesen, erinnert sich Möller: „Sie haben uns unterstützt und ermutigt.“ Hat er gar nicht kämpfen müssen für sein unkonventionelles Kammerspiel? Der freundliche Skandinavier schüttelt fast schon entschuldigend den Kopf: „Es war überhaupt kein Problem, den Film finanziert zu bekommen.“
In nur 13 Tagen war «The Guilty» abgedreht. Das hohe Tempo, das der Thriller anschlägt, gab der Regisseur auf dem Set vor. Gefilmt wurde in chronologischer Reihenfolge, mit drei Kameras. „Wir wollten ein Gefühl von Echtzeit erzeugen“, erklärt Möller, deshalb habe er auch in sehr langen Einstellungen gedreht. Manchmal lief die Kamera nicht weniger als 35 Minuten (!) am Stück. Darsteller Cedergren hat’s Spass gemacht: „So lange Takes durfte ich überhaupt noch nie spielen“, sagt er: „Es war wie Theater.“
(Zürich Film Festival, zff.com, 17.10.2018)


Kritikerstimmen:


Wo sonst der Zuschauer auf der Kinoleinwand mit Bildern überschwemmt, fast erdrückt wird, erwartet ihn hier nur eine triste Notrufzentrale der Kopenhagener Polizei, bläuliche Computerbildschirme, Fernsprechanlagen mit kleinen flimmernden roten Lichtern. Jasper Spannings Kamera konzentriert sich auf das Gesicht des Protagonisten, der eigentliche Schauplatz aber ist unsere Phantasie.
(Anna Grillet, kultur-port.de, 23.10.2018)

„The Guilty” ist nicht das erste Leinwand-Epos, das sich auf eine Figur, eine Location und das Telefon als Zentrum der Kommunikation beschränkt, fast hat sich diese Konstellation schon zum eigenen Genre entwickelt: „Phone Booth” (2002), „Buried” (2011), „The Call” (2013) oder „Locke” (2013). Möllers Thriller aber erweist sich als visuell radikaler, diese Art von Purismus zu inszenieren, braucht schon Genialität. Der Verzicht, Action optisch zu simulieren oder das Außergewöhnliche effektheischend zu stilisieren wie in den eben genannten Filmen, erhöht die Illusion von Realität. Die Konzentration auf die Stimmen der Protagonisten, hebt die räumliche Distanz zwischen ihnen und dem Zuschauer auf, führt zu einer frappierenden Identifikation, grade bei Iben, da wechselt Verzweiflung mit Zuversicht, Verwirrung mit kühlem Kalkül. Jedes Wort zwingt uns, das Gehörte in eigene Bilder umzusetzen, aktiviert unerbittlich die Kreativität.
(Anna Grillet, kultur-port.de, 23.10.2018)

Was nicht gezeigt wird, das muss man sich selbst ausmalen. Reduktion war im Thrillerfach schon immer ein probates Mittel, die Fantasie der Zuschauer anzukurbeln. The Guilty, das wirkkräftige Regiedebüt des Dänen Gustav Möller, ein Publikumshit auf Filmfestivals, beweist das wieder einmal sehr schön. Einziger Schauplatz des Films ist eine Notrufzen trale der Polizei. Glaswände, Computer, sterile Büromöbel, nicht mehr. Asger (Jakob Cedergren) muss dort strafweise Innendienst verrichten. Das Telefon rückt in dem Kammerspiel zum Soloinstrument auf, das den Helden mit der Außenwelt und vielen möglichen Anschlüssen verbindet.
(Dominik Kamalzadeh, derstandard.at 1.11.2018)